Pferde ausbilden: Freiheitsdressur mit Jean-François Pignon: Pferde trainieren mit Jean-François Pignon (2024)

Halfter, Strick, Gerte und eine Koppel. Mehr braucht man nicht, um freie Pferde zu spektakulären Kunststücken zu bringen.

Das behauptet zumindest Jean-François Pignon. Der Franzose ist ein Meister der Freiheitsdressur und bekannt für seine großartigen Pferdeshows.

Pignon hat den besonderen Draht zu Pferden. Aber kann er dieses Feeling auch vermitteln?

Auf Einladung von Stefan Valentin gibt der Franzose auf dem Reiterhof Girtenmühle in Losheim/Saarland einen dreitägigen Kurs. Mit dabei: CAVALLO-Redakteurin Cathrin Flößer.

"Stimmt die Kommunikation mit dem Pferd, lösen sich viele Probleme auf ", ist Jean-François Pignon überzeugt. Sein Konzept hat sich der 1968 geborene Horseman selbst erarbeitet, indem er seine Pferde genau studierte. Er kam dabei zu ähnlichen Ergebnissen wie die Pioniere des Natural Horsemanships, etwa, indem er Pausen systematisch einsetzt, Druck systematisch steigert und auf Strafen verzichtet.

Die wichtigste Basis für seine spektakuläre Freiheitsdressur ist allerdings das Prinzip, dass Pferde der Gerte folgen, anstatt ihr zu weichen. Das sollen auch die Pferde der Kursteilnehmer lernen. Pignon hat dafür vier Verhaltensregeln, die Säulen seines Trainings: Ruhe, Konsequenz, Liebe und Fairness. "Verlieren wir einen dieser Punkte, funktioniert die Beziehung nicht mehr", sagt Pignon.

Konsequenz, Liebe und Fairness

Respekt, Vertrauen und Gehorsam bekommt nur, wer ruhig, konsequent, liebevoll und fair mit dem Pferd umgeht. Der Weg zu einer besseren Beziehung führt mit Pignons Methode über einfache, aber erstaunlich effektive Übungen. "Wir spielen mit Komfortzone und Unbequemlichkeit, um uns Respekt zu erarbeiten", sagt Pignon.

Was das fürs Pferd bedeutet, erklärt er so: "Komfort entsteht durch Ruhe und das Ende jeglicher Aktivität des Menschen." Unbequem wird es fürs Pferd, wenn der Mensch die Intensität der Hilfen steigert, bis das Pferd reagiert. Bei einem sensiblen Pferd kann da schon ein deutlicherer Blick reichen. "Stärkere Hilfen sollen aber keinesfalls eine Strafe sein", betont Pignon.

Seine Basisübung für Respekt und Konzentration: Das Pferd soll dem Menschen folgen, anhalten, stillstehen und wieder folgen. "Wenn Sie langsam losgehen, soll das Pferd mitgehen. Halten Sie sanft an, hält Ihr Pferd ebenso", definiert Pignon das Ziel. Folgt das Pferd nicht, soll der Mensch am durchhängenden Seil einen Halbkreis in Richtung Flanke beschreiben.

Reagiert das Pferd immer noch nicht, touchiert der Reiter es dort mit der Gerte. Mein Begleiter für den ersten Kurstag heißt Wood und ist ein 1,75 Meter großes holländisches Warmblut (KWPN). Der achtjährige Wallach ist ebenso wie ich Neuling in Sachen Freiarbeit.

Ob wir einen Draht zueinander finden? Zunächst kämpfe ich mit Woods langer Leitung. Der Wallach steht felsenfest auf seinen großen Hufen. Ich laufe eine Kurve und tippe ihn an. Keine Reaktion. "Geben Sie die Hilfen wie ein Crescendo – immer stärker", empfiehlt Pignon. Ich tippe kräftiger, und Wood tritt an.

Zum Anhalten touchiert Pignon die Pferdenase

Allerdings ist er jetzt so in Fahrt, dass er mich beim Anhalten fast umrempelt. Ich soll mit der Gerte seine Nase touchieren – und zögere. "Wird er dadurch nicht kopfscheu?", frage ich. "Nicht, wenn Sie ihn nur sanft berühren und dabei innerlich ruhig sind", sagt Pignon.

"Die Nase ist so empfindlich, dass Sie hier mit leichtem Touchieren viel bewirken können." Nach jeder Nasenberührung braucht das Pferd allerdings eine kurze Pause zum Nachdenken. Wood überholt noch zwei Mal, dann sitzt die Übung. Plötzlich ist der große Wallach auf mich fixiert und folgt der kleinsten Bewegung. Noch konzentrierter wird er durch die folgende Rechts-Links-Übung.

"Hier lernt das Pferd auf die Gerte zuzugehen, anstatt ihr zu weichen. Nur wenn es das kann, lässt sich daraus später die Freiheitsdressur entwickeln", sagt Pignon.

Überholt es, touchiert man die Nase. Folgt die Vorhand auf die kleinste Bewegung und verlagert das Pferd das Gewicht auf die stehende Hinterhand, kommt die nächste Stufe: Während man geht, legt man gleichzeitig die Gerte auf der Seite an, in die das Pferd laufen soll. So lernt es, der Gerte zu folgen.

Wood folgt prompt, aber ich weiche zurück. Ein Fehler: "Sie dürfen Ihren Halbkreis nicht verlassen, sonst verlieren Sie den Respekt. Touchieren Sie an der Nase, wenn das Pferd in Ihre Zone eindringt", sagt Pignon.

Die Gerte an der Schulter richtet das Pferd vorwärts

Ab dem zweiten Tag arbeite ich mit Lucy, einem 18-jährigen Paint-Warmblut-Mix. Die Stute kennt die Übungen vom Vortag und reagiert sensibler als der große Wood. Deswegen können wir gleich die nächste Übung beginnen, das Vorwärtsrichten. Dazu stehen wir dem Pferd so gegenüber, dass wir es gerade an der Schulter berühren können. "Tippen Sie die Schulter an, bis das Pferd einen Schritt nach vorn geht, dann machen Sie sofort Pause", sagt Pignon.

Obwohl ich bei den ersten Versuchen noch einen kurzen Impuls am Halfter geben darf, tritt Lucy nicht vor, sondern weicht aus. "Machen Sie die Rechts-Links-Übung, bis Lucy sich besser konzentriert", rät Pignon. Das wirkt. Als die Stute gedanklich wieder bei mir ist, versteht sie auch diese Übung. Damit kann man das Pferd nun jederzeit einen Schritt nach vorn holen. Das testen wir gleich an einer Plastikplane.

"Ich lasse die Pferde nicht schnuppern. Sie sollen mir vertrauen und folgen", erklärt Pignon sein Prinzip. Ob das funktioniert? Einige Teilnehmer zweifeln; sie glauben, ihre Pferde hätten Angst vor der Plane. Aber nicht nur Lucy lässt sich von mir Schritt für Schritt übers Hindernis lotsen.

Alle anderen Pferde schaffen es auch, selbst ein besonders unsicherer Andalusier. Der lässt sich am selben Tag nach dieser Methode so stressfrei verladen wie nie. "Er blieb ruhig, ging Schritt für Schritt die Rampe hoch", freut sich die Besitzerin. Zuvor musste sie ihr Pferd mit Futter und Druck in den Hänger bugsieren.

An drei klar strukturierten Tagen mit je einer Theorie-Einheit und zwei Praxis-Stunden pro Person gewährt Pignon den Kursteilnehmern tiefe Einblicke in seine Arbeit. Für 375 Euro pro Person vermittelt er viele Erkenntnisse in Sachen Körpersprache und Beziehung zum Pferd.

Der große Pluspunkt der Methode: Sie ist klar verständlich und jederzeit überall einsetzbar.

Buch-Tipp:
Weitere Infos zu den Grundlagen der Freiheitsdressur sowie spannende Einblicke in das Leben von Jean-François Pignon bietet das von seiner Ehefrau Sylvie verfasste Buch "Ein Weg in die Freiheit!". Es hat 203 Seiten, kostet 50 Euro und ist im Eigenverlag erschienen. Zu kaufen unter: www.jfpignon.com

Kontakt:
Jean-François Pignon
Le Petit Pascalet
30420 Calvisson
Frankreich
www.jfpignon.com

Stefan Valentin
Zum Heuwinkel 23
66839 Schmelz
Tel. 0177-4247051
www.steva-saar.de

Beherrschen die Pferde ein Grundrepertoire, können sie in wechselnden Gruppen und von verschiedenen Dresseuren vorgestellt werden. Gelobt wird mit Lobwort und Leckerli. Bei Jean-François Pignon ist das anders. Die Pferde sind jederzeit ganz nah bei ihm und lernen, der Gerte zu folgen. Sie sollen den Menschen beobachten und auf seine Anweisungen warten.

Die Stimme nutzt Jean-François Pignon kaum, da das nicht der Sinneskanal ist, mit dem Pferde kommunizieren. Er setzt vor allem seine Körpersprache ein und belohnt die Pferde mit Pausen, die umso länger werden, je höher vorher die Energie der Hilfe war. Ich nahm mit meiner Stute Jaqueline am Kurs teil, weil ich neue Inspiration für unsere Arbeit suchte. Sie zeigte ihre Tricks zwar brav, aber nur halbherzig.

Offenbar konnte ich ihr in der Manege nicht die nötige Motivation geben. Das war im Kurs schnell wieder anders. Jaqueline wirkte viel fröhlicher als zuvor und schien die Leckerli als Belohnung nicht zu vermissen. Das Ergebnis: Bei der ihr unbekannten Übung mit der Plane blieb die an sich sehr ängstliche Stute völlig cool.